Linz

Bedeutung und historische Entwicklung

Seit 1490 gilt Linz offiziell als Hauptstadt Oberösterreichs, des historischen Landes ob der Enns. Die Stadt war Sitz der wichtigsten landesfürstlichen und landständischen Verwaltungseinrichtungen und bedeutendster Marktplatz an der Donau zwischen den oberdeutschen Städten und Wien. Geographisch war Linz als Kreuzungspunkt der Donau mit der kürzesten Nord-Süd-Transversale zwischen Adria und Ostsee gegenüber allen anderen österreichischen Donaustädten bevorzugt.

Die Wurzeln der Stadt reichen in vorrömische Zeit zurück. Als legittimus mercatus scheint Linz am Beginn des 10. Jahrhunderts in der Raffelstetter Zollordnung (903/05) auf, ebenso wird für diese Zeit bereits das Bestehen einer dauerhaften Kaufmannssiedlung um den Alten Markt angenommen. Ob des großen Handelsaufkommens zählte die Linzer Maut stets zu den einträglichsten in der gesamten Donauregion. 1210 kauften die Babenberger die Stadt und bedachten sie – ebenso wie die nachfolgenden Landesfürsten – mit großzügigen Privilegien: Zu den wichtigsten Wirtschaftsprivilegien zählte das 1362 erteilte Meilen- und Pfändungsrecht, aus dem sich das mit Unterbrechungen bis 1785 geltende Repressalienrecht entwickelte. Dem Repressalienrecht zufolge konnten alle Bürger einer Stadt für die Schulden eines Mitbürgers haftbar gemacht werden. Durch die große Bedeutung und Verbreitung des Wechsels als Zahlungsmittel galten Messen in einer Stadt mit Repressalienrecht als bevorzugte Zahlungstermine, da man über dieses Recht die Begleichung sonst nur schwer einbringbarer Schulden erreichen konnte, indem im Streitfall ein beliebiger Mitbürger des Schuldners so lange in Repressalienhaft genommen wurde, bis die Schuld beglichen war. Jedoch führte diese Rechtspraxis auch zu langwierigen Auseinandersetzungen, weshalb viele vergleichbare Handelsorte weit früher als Linz von diesem Rechtsmittel Abstand nahmen und auf Schiedsgerichte (z.B. Bozner Merkantilmagistrat) setzten.

Seit 1382 hatte Linz das verbriefte Recht, einen Jahrmarkt mit vierwöchiger Freiung (St. Bartholomäimarkt) abzuhalten; neben diesem Herbstmarkt bestand mit dem Bruderkirchweihmarkt (ab 1501 Ostermarkt) auch ein Termin im Frühjahr. Das Repressalienrecht trug maßgeblich zur großen Bedeutung der Linzer Märkte in der Frühen Neuzeit bei, die bis ins 18. Jahrhundert, wenn auch stark schwankend, die Stellung internationaler Warenmessen und wichtiger Zahlungstermine bewahren konnten. Gehandelt wurde vor allem mit Tuch (im ausgehenden 15. Jahrhundert während eines Markts ca. 60.000 Meter), Eisen, Häuten, Honig und Wachs, Salz, Wein und Getreide. Der Handelsplatz Linz war so attraktiv, dass in der Frühen Neuzeit oberdeutsche Kaufherren eigene Faktoreien in Linz gründeten, böhmische Kaufleute zuzogen und das Bürgerrecht erwarben, und auch italienische Handelshäuser eigene Niederlassungen in Linz betrieben. Bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs gab es rund 150 solcher „Niederlagsverwandten“ in der Stadt. In einem zeitgenössischen Bericht wurde der Umsatz während eines einzigen Linzer Markts (1593) auf rund vier Millionen Gulden geschätzt. Im Gegensatz zu den Wiener Märkten dienten die Linzer Märkte fast ausschließlich dem Fernhandel und nicht dem regionalen Konsum. Staatliche Handelshindernisse wirkten sich daher verheerend auf Linz als Emporium aus. Die im Laufe des 17. uund 18. Jahrhunderts in mehreren Schüben für die Länder ob und unter der Enns (Ober- und Niederösterreich) empfindlich gesteigerten Zolltarife führten zu einem spürbaren Rückgang des Handelsvolumens durch Verlagerung der Transportrouten.

Nicht nur als Marktplatz erlangte Linz eine für den österreichischen Raum herausragende Stellung, auch als Manufaktur- bzw. Industriestandort ist Linz von größter Bedeutung. Die 1672 gegründete Linzer Wollzeugfabrik beschäftigte während ihrer Hochblüte im 18. Jahrhundert mehr als 1.000 Menschen; weitere 50.000 bis 60.000 Spinner und Spinnerinnen erzeugten in Böhmen und Österreich in Heimarbeit die Rohmaterialien für die Fabrik. 1842 wurde in Linz eine eigene Schiffswerft errichtet, in welcher die ersten Eisenschiffe des Kontinents gebaut wurden. Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts prägen vor allem die Vereinigten Österreichischen Eisen und Stahl-Werke (VÖEST – heute VOEST-Alpine AG mit fast 40.000 Mitarbeitern) das Wirtschaftsleben der Stadt.

Archivalien

Viele Bestände zur Wirtschaftsgeschichte der Stadt Linz fielen einer großen Skartierungswelle (Aktenvernichtung) im 19. Jahrhundert zum Opfer. Erhalten haben sich im Linzer Stadtarchiv u. a. drei Rechnungsbücher der Federnwaage aus dem 17. Jahrhundert, die eindrucksvoll die überragende Stellung jüdischer Händler auf diesem Sektor dokumentieren, sowie sieben Waag- und Niederlagsbücher der Linzer Stadtwaage aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die das breite Spektrum der auf den Linzer Märkten gehandelten Waren und den großen Einzugsbereich dieser Messen zeigen. Ein Markthüttenbuch für den Zeitraum 1779–1804 und ein Verzeichnis der bestehenden Niederlagen von 1823 leiten zeitlich bereits vom Merkantilismus zum industriellen Zeitalter über.

Reiches Material zur Handelsgeschichte und zu den Linzer Märkten findet sich auch in den Annalenbänden (Bestand: Ständische Handschriften) des Oberösterreichischen Landesarchivs (Linz) und im Bestand der Niederösterreichischen Herrschaftsakten (u. a. Serie M) des Hofkammerarchivs im Österreichischen Staatsarchiv, Allgemeines Verwaltungsarchiv/Finanz- und Hofkammerarchiv.

Literatur

Hertha Awecker, Die Linzer Stadtwaage. Die Geschichte des Waag- und Niederlagamtes der Stadt Linz (Sonderpublikationen zur Linzer Stadtgeschichte 3, Linz 1958).

Alfred Hoffmann, Wirtschaftsgeschichte des Landes Oberösterreich 1: Werden – Wachsen – Reifen. Von der Frühzeit bis zum Jahre 1848 (Salzburg 1952) insbes. 67, 138–145.

Wilhelm Rausch, Art. Linz, in: Karl Lechner (Hg.), Donauländer und Burgenland (Handbuch der historischen Stätten Österreich 1, Stuttgart 1970, Nachdr. 1985) 66–72.

Wilhelm Rausch, Linz, in: Herbert Knittler (Red.), Die Städte Oberösterreichs (Österreichisches Städtebuch 1, Wien 1968) 195–238, insbes. 208–213.

Wilhelm Rausch, Handel an der Donau 1: Die Geschichte der Linzer Märkte im Mittelalter (Linz 1969).

Roman Sandgruber, Ökonomie und Politik. Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart (Österreichische Geschichte, Wien 1995) insbes. 97–99.

Hans-Heinrich Vangerow, Linz und der Donauhandel des Jahres 1627, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 1962 (1963) 223–332, 1963 (1964) 255–377 [mit Beilagenband], 1964 (1965) 41–98.

Zur oberösterreichischen Handelsgeschichte siehe allgemein: Geschichte des Handels in Oberösterreich, forum oö geschichte. Virtuelles Museum Oberösterreich.