Im Gegensatz zur Blütezeit des oberdeutschen Handelskapitalismus im 16. Jahrhundert und dem Interesse der Wirtschaftsgeschichte am Aufstieg des Atlantikhandels und der Intensivierung globaler Handelsbeziehungen in der Frühen Neuzeit findet der kontinentale Binnenhandel dieser Epoche nur geringe Aufmerksamkeit in der historischen Forschung. Und dies, obwohl die Mehrzahl der Handelsaktivitäten in Europa im regionalen Rahmen ablief und größtenteils von weniger prominenten Firmen als den extrem gut erforschten, aber auch wenig repräsentativen Fuggern oder Welsern getragen wurde.
Hier setzt das Projekt „Donauhandel“ ein, indem es versucht die empirische Basis der mitteleuropäischen Wirtschaftsgeschichte im 17. und frühen 18. Jahrhundert zu erweitern. Einen ersten Schritt stellt die Erfassung der in einem erheblichen Umfang erhaltenen Waag- und Niederlagsbücher der Stadt Krems an der Donau dar, die auf der West-Ost-Handelsroute der Donau das wichtigste Handelszentrum zwischen Linz und Wien bildete. Gleichzeitig war die Stadt über Land mit den böhmischen Ländern und darüber hinaus mit Schlesien und der Stadt Krakau verbunden. Diese Rechnungsbücher erlauben es, Handelsbeziehungen innerhalb eines großen Raumes, der von Savoyen und der Schweiz bis Ungarn, von Polen bis in den Alpenraum reichte, zu rekonstruieren. Erfasst werden sowohl Art und Menge der gehandelten Waren, als auch die am Handel beteiligten Personen, Gesellschaften oder Institutionen. Mit diesen Daten ist es möglich, ein wesentlich genaueres Bild kaufmännischer Tätigkeit in den österreichischen Donauländern und deren Verflechtung mit angrenzenden Regionen zu zeichnen, als dies bisher der Fall war. Damit soll ein Beitrag geleistet werden, einen bisher kaum wahrgenommenen Wirtschaftsraum in die Handelsgeschichtsforschung zu integrieren.
Mit der ab Ende 2012 bestehenden Möglichkeit, die Daten kostenlos online abzufragen, werden außerdem wesentliche Bausteine für die Handelsgeschichten kleinerer Räume bzw. einzelner Städte bereit gestellt. Als weitere Schritte sind die Bearbeitung und Auswertung quantitativer Quellen zu den kaufmännischen Aktivitäten auf den wichtigen Linzer Jahrmärkten und einzelner Maut- und Zollregister geplant.
Begleitet wird die Aufarbeitung der Quellen durch wissenschaftliche Vorträge und Publikationen durch die ProjektmitarbeiterInnen (siehe Aktuelles).