Stein

Bedeutung und historische Entwicklung

Stein liegt am linken Donauufer, kurz nach dem Austritt des Stroms aus dem Engtal der Wachau. Stein und das benachbarte Krems ergänzten einander ideal als Land- und Stromhandelsplätze, wobei Stein die eigentliche Ladstätte sowie Niederlage für das Salz, Krems mit seinem täglichen Markt, zwei Wochenmärkten und den beiden großen Jahrmärkten der eigentliche Marktort und das Zentrum des Eisenhandels war. Die örtliche Nähe und enge wirtschaftliche Verflechtung führten zu einem außergewöhnlichen stadtrechtlichen Dualismus: Die beiden Orte bildeten seit 1250 eine „Bürgergemeinde von Krems und Stein“, wurden von einem Stadtrichter und einem Rat (je sechs Bürger aus jeder der beiden Gemeinden), seit 1416 auch von einem gemeinsamen Bürgermeister verwaltet und verfügten dennoch über getrennte Burgfrieden, getrennte Finanz- und Wehrhoheit sowie unterschiedliche und gemeinsame Privilegien. Das 1305 von Herzog Rudolf III. verliehene Stadtrecht galt sowohl für Stein als auch für Krems. Von der 1463 errichteten Donaubrücke zwischen Stein und Mautern, einer von nur drei Donaubrücken (Wien: 1439, Stein/Krems: 1463, Linz: 1495) entlang der österreichischen Donau bis ins 19. Jahrhundert, profitierten beide Städte gleichermaßen. Obwohl die Zusammenarbeit in dieser ‚Doppelstadt‘ nicht immer friktionsfrei funktionierte, blieben die Städte doch bis 1849 vereinigt. 1938 wurde Stein nach fast 90 Jahren Selbständigkeit zu einem Stadtteil von Krems. Während des 17. und 18. Jahrhunderts kann man in Stein von durchschnittlich 1.500 Einwohnern, in Krems von durchschnittlich 4.000 Einwohnern ausgehen.

Bei Stein tritt stromabwärts das letzte Mal vor dem Tullner Becken fester Boden unmittelbar an den Strom heran, wodurch die Entstehung eines Landeplatzes für den Schiffsverkehr und eines Umschlagplatzes vom Fluss- zum Landtransport begünstigt wurde. Handelsaktivitäten sind für den Krems-Steiner Raum daher bereits seit der Antike verbürgt. So wusste schon Eugippius in der Vita Sancti Severini (um 470) von viel besuchten Wochenmärkten (nundinis frequentibus) am Donauufer gegenüber von Favianis/Mautern zu berichten. Stein profitierte vor allem von der Verlegung der Donaumaut von Mautern an das nördliche Donauufer im 10. Jahrhundert. Der älteste erhaltene Steiner Zolltarif vom Beginn des 13. Jahrhunderts erwähnt Kaufleute aus Passau, Regensburg, Köln, Aachen sowie Schwaben und Latini. Als Waren scheinen unter anderen Tuche, Wolle, Felle, Schmiedeeisen, Kupfer, Zinn, Schwerter, Mühlsteine, Mohn, Pfeffer, Safran, Nüsse sowie Spezereien auf. Mit Salz wurde im Mautort Stein nachweislich bereits seit dem 12. Jahrhundert gehandelt. 1365 ist erstmals eine Niederlage für Halleiner und Schellenberger Salz verbürgt, im Laufe des 14. Jahrhunderts wurde vermehrt Salz auch aus Hallstatt bezogen. Ihrem Wesen nach war die Salzniederlage ein Bezugsmonopol. Von Stein aus wurden das Waldviertel über sekundäre Niederlagsplätze und darüber hinaus die Länder Böhmen und Mähren mit Salz versorgt. Bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts erfolgte durch die Errichtung einer Salzkammer (1525) in Stein die Ablösung des bürgerlichen durch den kommunalen Salzhandel. Die Bürgerschaft trat nun im Salzhandel durch den Einsatz von Verlagsgeldern als Kapitalgeber auf. Mit Einführung des Salzversilberungsamtes (1632) wurde der Salzverschleiß endgültig der Kommune entzogen und dem Ärar unterstellt und damit quasi verstaatlicht.

Für das Florieren Steins als Ladstatt war die Einrichtung des Schiffsgegenzugs auf der Donau im 13./14. Jahrhundert von größter Bedeutung. Bis dahin erfolgte der gewinnbringende Güterverkehr auf der Wasserstraße fast ausschließlich in westöstlicher Richtung. Der Gegenzug war die Voraussetzung für die kostengünstige Verfrachtung des Massenguts Wein stromaufwärts in die oberdeutschen Handelsstädte und Klöster. Nach dem Bedeutungsverlust des Salzhandels wurde der Handel mit Wein und Getreide für die Steiner Bürger zu einem immer wichtigeren Wirtschaftsfaktor. So waren rund zwei Drittel aller Händler und Handwerker in Stein (und Krems) laut einer Aufstellung von 1745 auch Weingartenbesitzer. Das 19. Jahrhundert war geprägt von Industriegründungen wie zum Beispiel der Ansiedlung einer Kokosmattenfabrik, mehrerer Maschinenfabriken oder einer Zigarrenfabrik (der späteren Steiner Tabakfabrik), die Ende der 1920er Jahre eine Jahresproduktion von 75 Millionen Virginiazigarren aufwies. Neben dem Weinbau wurden Tourismus und wissenschaftliche Einrichtungen zu neuen wirtschaftlichen Triebfedern für Stein und Krems. So wurde aus einem Teil der Steiner Tabakfabrik die Kunstmeile Krems, ein anderer Teil dieser Anlage beherbergt heute den Campus der Donauuniversität Krems.

 

Archivalien

Die Steiner Archivalien werden im Stadtarchiv Krems verwahrt. Die besondere Konstruktion der Doppelstadt Krems-Stein spiegelt sich auch in den vielen Schriftstücken wider, die beide Städte gleichermaßen betreffen wie zum Beispiel die Ingedenkbücher der Städte Krems und Stein (1108–1781), die eine umfangreiche abschriftliche Sammlung von Urkunden und Akten der Verwaltung darstellen. Für die Handelsgeschichte Steins von besonderem Interesse sind vor allem die Ladstatt-Rechnungen (1656–1744) und die Kammeramtsrechnungen (1560–1785).

Neben den Beständen im Kremser Stadtarchiv gibt es auch umfangreiches Quellenmaterial im Hofkammerarchiv des Österreichischen Staatsarchivs, Allgemeines Verwaltungsarchiv/Finanz- und Hofkammerarchiv, insbesondere in den Beständen Niederösterreichische Herrschaftsakten und Gedenkbücher. Auch das Niederösterreichische Landesarchiv (St. Pölten) hat diverse Bestände zur Stadt Stein; exemplarisch sei auf den Bestand Niederösterreichische Regierung vor 1740 hingewiesen, der einen Faszikel (Nr. 2/43) mit Akten zu den Bestätigungen der Freiheiten und Privilegien der Städte Krems und Stein beinhaltet.

 

Literatur

Otto Brunner (Hg.), Die Rechtsquellen der Städte Krems und Stein (Fontes Rerum Austriacarum III/1, Graz–Köln 1953).

Otto Brunner, Die geschichtliche Stellung der Städte Krems und Stein, in: Krems und Stein. Festschrift zum 950-jährigen Stadtjubiläum (Krems 1948) 19–102.

Daniel Haberler-Maier, Zwei Städte, drei Räte? Prolegomena zu einer Neubetrachtung der Verwaltung der Städte Krems und Stein in Mittelalter und Früher Neuzeit bis 1785, in: Mitteilungen Stadtarchiv Krems (2022), DOI: https://doi.org/10.57704/T1D0-0J11.

Karl Haselbach, Ueber die Stellung der Städte Krems und Stein in der Handelsgeschichte Österreichs, in: Blätter für Landeskunde von Niederösterreich 1 (1865) 236–237, 269–276.

Eleonore Hietzgern, Der Handel der Doppelstadt Krems-Stein von seinen Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges (Phil. Diss. Wien 1967).

Herbert Knittler, Der Salzhandel in den östlichen Alpenländern: Bürgerliche Berechtigung – Städtische Unternehmung – Staatliches Monopol, in: Wilhelm Rausch (Hg.), Stadt und Salz (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 10, Linz 1988) 1–18.

Herbert Knittler, Zum ältesten Steiner Zolltarif. Eine handelsgeschichtliche Untersuchung, in: Mitteilungen des Kremser Stadtarchivs 17–18 (Krems 1978) 27–76.

Herbert Knittler, Abriß einer Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Doppelstadt Krems-Stein, in: Harry Kühnel (Hg.), 1000 Jahre Kunst in Krems (Krems/Donau 21971) 43–73.

Herbert Knittler, Salz- und Eisenniederlagen. Rechtliche Grundlagen und wirtschaftliche Funktion, in: Michael Mitterauer (Hg.), Österreichisches Montanwesen. Produktion, Verteilung, Sozialformen (Sozial- und Wirtschaftshistorische Studien, Wien 1974) 199–233.

Harry Kühnel, Krems an der Donau. Stadt mit eigenem Statut, in: Friederike Goldmann–Eveline Oberhammer–Johanne Pradel (Hg.), Die Städte Niederösterreichs, 2. Teil (Österreichisches Städtebuch 4/II, Wien 1976) 147–169.

Harry Kühnel, Die Archive der Städte Krems und Steinm in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14 (1961) 152–170.

Harry Kühnel, Krems-Stein (Österreichischer Städteatlas, 4. Lieferung, Teil 1, Wien 1991 [DVD 2009]).